Evangelisches Gotteshaus in Ueberau wird 700 Jahre alt „Die Kirche gehört ins Dorf“

Die erste urkundliche Erwähnung der evangelischen Kirche in Ueberau datiert auf das Jahr 1316. J Foto: p

Ueberau (st) – Vor 700 Jahren wurde die evangelische Kirche in Ueberau erstmals urkundlich erwähnt. Das wird gefeiert – Höhepunkt war das Kirchweihwochenende.

Im Gottesdienst machte sich Gastprediger Dr. Ulf Häbel so seine Gedanken über die „Zukunft der Kirche im Dorf“.

Der promovierte Pfarrer im Ruhestand und Landwirt aus Freienseen, einem Dorf im Vogelsberg, kam nach Ueberau, um mit den Gottesdienstbesuchern in einer voll besetzen Kirche verschiedene Blicke auf das dörfliche Leben zu werfen.

Da gebe es zum einen den ökonomisch-statistischen Blick, so Häbel, der alles zähle und berechne und zum Urteil „sterbende Dörfer“ gelange und im Vogelsberg 23 Dörfer auf die Rote Liste gesetzt habe, weil es dort infolge des demografischen Wandels weniger Menschen und mehr Wohnraum gebe. Und es gebe den menschlichen Blick, der danach frage, wie es den Menschen gehe.

Als er vor 26 Jahren als Pfarrer mit seiner Frau und fünf kleinen Kindern nach Freienseen gekommen sei, ging es an einem Gesprächsnachmittag um die Frage, was die Menschen vom Pfarrer erwarten. Eine alte Dame habe gesagt: „Wir wollen, dass der Pfarrer uns estimiert und mit uns lebt.“ Estimieren, das heißt so viel wie wertschätzen, auf die Leute zugehen, mit ihnen schwätzen. Der menschliche Blick, die Gemeinschaft – das sei auch eine Chance für die Kirche. „Die Kirche gehört mitten ins Dorf.“ Auch wenn die Freienseener keine guten Kirchgänger seien, so Häbel, und sagten: „Wir sind sehr stolz auf unsere Kirche – und schonen sie.“

Dekan Joachim Meyer erinnerte in seinem Grußwort an die Ereignisse des Jahres 1316 und träumte von 2716 – wenn vor allem Menschen aus China nach Ueberau kommen, staunend, dass es schon so lange Christen gibt. Er dankte allen, die sich für die Kirche einsetzen, Geld geben und sie mit Leben füllen. Christina Schalle, Vorsitzende des Gesamtpfarrgemeinderates Reinheim/Groß-Bieberau, lebt seit 16 Jahren mit ihrer Familie in Ueberau. Ihr sei die Kirche Heimat geworden und erzähle Geschichten. Der Posaunenchor und Organistin Gudrun Schmidt begleiteten den Gottesdienst musikalisch, die Leitung hatten Pfarrerin Meike Obermann und Pfarrer Frieder Schmidt. Im Anschluss wurde in und vor der Kirche geplaudert, am Nachmittag feierte dann die junge Gemeinde.

Die Kirche in Ueberau ist eine der ältesten Kirchen im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald. Die früheste bekannte urkundliche Erwähnung der Kirche stammt vom 23. Dezember 1316. In den vergangenen Jahren hat sich das Gotteshaus mehr und mehr zu Kulturkirche gewandelt – mit Kabarett und Dichterlesungen, Konzerten und der Reihe „Freitagabendandachten“ zu unterschiedlichen Themen. Von 2010 bis 2012 wurde sie umfassend saniert, seither wird der Altar von kreativen Menschen aus Ueberau und der Region gestaltet.

Das Programm zum Jubiläum geht noch weiter: Am Freitag, 23. September, 18 Uhr, ist die Nacht der offenen Kirche in Kooperation mit dem CVJM. Zu sehen sind Fotos aus dem Projekt „Wir Ueberauer“ von Uli Frey und Tim Besserer, es gibt Zeitzeugeninterviews und anderes mehr. Die Moderation hat Annette Claar-Kreh, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Vorderer Odenwald. Am Sonntag, 25. September, 10 Uhr, wird ein Kantatengottesdienst mit dem Bachensemble Darmstadt „Gott soll allein im Herzen sein“ gefeiert. „Alles ist eins“ heißt es zum Abschluss der 700-Jahr-Feier am Freitag, 25. November, um 20 Uhr. Tim Besserer beleuchtet in seiner Klang-Bild-Komposition das Verbindende verschiedener spiritueller Traditionen und lädt zur Stille ein.