Jeden Monat etwas Neues Ausstellung „Werthers Welt“ wird im Romantik-Museum gezeigt

Plakat im Handschriftenstudio, ausgestellt im Romantikmuseum. Bild: jf

Innenstadt (jf) – 1774 hat die Weltkarte noch weiße Stellen. Eine Deutschlandkarte gibt es gar nicht, stattdessen einen Flickenteppich aus Kleinstaaten. Ludwig XVI. wird König von Frankreich und Navarra und, so weiß man später, ist der letzte König des alten Regimes. Der Russisch-Türkische Krieg endet siegreich für Zarin Katharina die Große. James Cook erreicht auf seiner zweiten Südseereise Neukaledonien. Der englische Landwirt Benjamin Jesty impft seine Familie mit den harmlosen Kuhpocken und immunisiert sie so gegen die Pocken. Christoph Willibald Glucks Oper „Iphigenie en Aulide“ wird in Paris uraufgeführt. Johann Wolfgang von Goethes „Götz von Berlichingen“ kommt in Berlin auf die Bühne. Der Vesuv bricht aus, der Bielasche Komet wird gesichtet. In nur vier Wochen schreibt der 25-jährige Goethe in seinem Elternhaus in Frankfurt den Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“, der im September 1774 zur Leipziger Buchmesse erscheint.

„Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf. Denn wie es nur eines geringen Zündkrauts bedarf, um eine gewaltige Mine zu entschläudern, so war auch die Explosion, welche sich hierauf im Publikum ereignete, deshalb so mächtig, weil die junge Welt sich schon selbst untergraben hatte, und die Erschütterung deswegen so groß, weil ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam“, schreibt Goethe rückblickend in „Dichtung und Wahrheit“.

Anne Bohnenkamp, Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, des Deutschen Romantik-Museums und des Frankfurter Goethe-Hauses, verweist auf die weltweite Wirkung des Briefromans: „Er zündet immer zu bestimmten Zeitpunkten.“ Die Diskussion über den „Werther“ ist nie abgerissen. Von den einen als Aufbruch und Kampf gegen verstaubte Traditionen gefeiert, von den anderen als schädliches Werk verunglimpft. Diesen Spannungsbogen hält das schmale Büchlein seit 250 Jahren aus. Im Jubiläumsjahr bietet das Romantik-Museum eine zwölfteilige Ausstellung unter dem Titel „Werthers Welt – Das Werther-Jahr 1774“ im Handschriftenstudio an. Kuratiert wird sie vom Kulturhistoriker und Publizisten Johannes Saltzwedel. Die Objekte stammen zum großen Teil aus seiner Privatsammlung und werden durch Bücher, Autografen und bildliche Darstellungen aus dem Freien Deutschen Hochstift ergänzt.

Die fünf Vitrinen im Studio und die Außenvitrine in der Studiowand werden jeden Monat neu bestückt. „Es gibt eine Fülle von Objekten, die wir gerne zeigen wollen“, sagt Anne Bohnenkamp.

Johannes Saltzwedel hatte vor Zeiten eine „Werther“-Ausgabe in der Hand und begann, das Erscheinungsjahr genauer zu beleuchten. „Es ist mir tatsächlich gelungen, für jeden Tag ein Ereignis zu finden“, berichtet er.

Diese Ereignisse sind im jeweiligen Monat auf Tafeln im Studio nachlesbar, in den Vitrinen gibt es dazu die entsprechenden Bücher, Briefe und Bilder – darunter einige Kuriositäten.

So lohnt es sich nicht nur für „Werther“-Liebhaber, eigentlich jeden Monat ins Handschriftenstudio zu gehen. Immer lässt sich Neues entdecken. Außerdem gibt es im Jubiläumsjahr zahlreiche Veranstaltungen rund um das Thema. Näheres finden Interessierte online auf der Seite deutsches-romantik- museum.de.