Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ wieder ein Volltreffer Dramatischer Untergang in der Wallonischen Ruine

Albert (Dominik Penschek), Werther (Lukas T. Sperber) und Lotte (Katarina Schmidt) verneigen sich nach ihrem gelungenen Auftritt gemeinsam vor den applaudierenden Zuschauern an der Wallonisch-Niederländischen Ruine. Fotos: zew

Hanau (zew) – Nachdem Johann Wolfgang Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ 2018 Premiere bei den Festspielen in Hanau feierte, wurde die Inszenierung am Freitag aufgrund der großen positiven Resonanz anlässlich der 35. Brüder-Grimm-Festspiele erneut in der ursprünglichen Spielstätte, der Wallonischen Ruine, aufgeführt.

Die an den im Jahre 1774 erschienenen Roman angelehnte Inszenierung handelt von einem jungen bürgerlichen Mann, der sich unwiderruflich in die vergebene Tochter eines Amtsmannes verliebt und seine unglückliche Liebe und die Hierarchie des Staates letztlich mit einem hohen Preis bezahlt: seinem Leben.

Der bürgerliche Werther (gespielt von Lukas T. Sperber) zieht sich auf das Land zurück und lässt sich in Wahlheim nieder, einem beschaulichen romantischen Dorf.

Auf einem Ball begegnet der junge Werther Lotte (gespielt von Katarina Schmidt) und verliebt sich augenblicklich in die junge Frau, obwohl er bereits beim Tanz erfährt, dass diese mit Albert, einem strebsamen Bürger (gespielt von Dominik Penschek), verlobt ist.

Von diesem Zeitpunkt an ist Werther unwiederbringlich in Lotte verliebt und wird zu ihrem ständigen Begleiter.

Als Lottes Verlobter von seiner Reise zurückkehrt und auf Werther trifft, scheinen die beiden Männer sich zunächst gut zu verstehen, doch die wachsende Leidenschaft Werthers für Lotte treibt schließlich einen immer größer werdenden Keil zwischen die beiden.

Die charakterlichen Gegensätze und die wachsenden Differenzen zwischen Albert und Werther kommen in einem gut inszenierten Dialog zum Ausdruck, in dem Werther ein menschliches Recht auf Selbstmord vertritt, wohingegen Albert Selbstmord als unmoralisch und verwerflich betitelt.

Werther, der Mitglied der Abordnung eines adeligen Gesandten geworden ist, durchlebt ein neues psychisches Tief, als er von der endgültigen Hochzeit von Lotte und Albert erfährt. Er begibt sich auf eine Wallfahrt doch kehrt danach zu Lotte und Albert zurück. Werthers Eifersucht steigert sich ins Unermessliche, denn er „begreift nicht, wie sie ein anderer lieb haben kann, lieb haben darf“. Zwar ist Lotte durchaus von Werthers Leidenschaft ergriffen, doch besinnt sie sich auf die bürgerlichen Tugenden, die eine Trennung von Albert untersagen.

Werther steigert sich immer mehr in seine ausweglose Leidenschaft und Verzweiflung hinein und als er Lotte schließlich bei einem letzten Besuch im Eifer der Gefühle küsst, flüchtet diese und löst sich endgültig von Werther.

Infolgedessen sieht dieser sich dem Tode geweiht, leiht sich am nächsten Tag Alberts Pistole und erschießt sich.

In einer Stunde und 45 Minuten konnten die Zuschauer mit Spannung Werthers dramatischen Untergang verfolgen, und doch wurden viele Szenen aus dem Originalroman nicht inszeniert:

Wie auch schon das Bühnenbild, das sich lediglich aus einem weißen Baum mit aufgedruckten Zitaten vor einem schwarzen Hintergrund zusammensetzte, war auch die Inszenierung selbst schlicht gestaltet und auf die wesentlichen Schlüsselszenen beschränkt.

Beim Publikum stieß die simple Gestaltung des Bühnenbildes vorwiegend auf positive Rückmeldung:

„In Goethes Roman gibt es keine moralische Instanz, die Werthers Verhalten beurteilt. Der Leser ist bis heute gezwungen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und das wird gerade erst durch die so simpel gestaltete Aufmachung des Stückes möglich.“, merkte ein Zuschauer an.

Auch die Spielstätte, die Wallonische Ruine, sorgte für Begeisterung unter den Gästen: „Diese natürliche Kulisse unter freiem Himmel mit einsetzender Dämmerung und dem Gezwitscher der Vögel im Hintergrund lassen die gesamte Inszenierung in einem ganz anderen kulturellen Charme erscheinen.“, brachte eine Besucherin zum Ausdruck.

Im Gegensatz zum Amphitheater, wo die eigentlichen Brüder-Grimm-Festspiele stattfinden, befand sich die Bühne unmittelbar vor den Zuschauern, was einen ganz anderen Bezug zu den Darstellern und dem Stück ermöglichte: „Die Gefühle und Emotionen kommen hier wahnsinnig gut rüber, was natürlich hauptsächlich an der großartigen schauspielerischen Leistung der Darsteller liegt. Trotz des unterschiedlichen Zeitgeistes kann ich mich immer noch sehr gut mit Werther identifizieren.“ war bei den Besuchern zu vernehmen. Identifikation ist es, was den Erfolg von Goethes Meisterwerk damals und auch heute maßgeblich ausmacht. Kaum ein Werk der deutschen Literatur hat gleichzeitig so viel Zustimmung und Ablehnung erfahren: Nach der Veröffentlichung im Jahre 1774 begann man sich sogar wie Werther, im blauen Frack mit gelber Weste und braunen Stiefeln, zu kleiden und die Identifikation reichte sogar so weit, dass einige Leser sich wie Werther das Leben nahmen.

Doch auch dem entgegengesetzte Meinungen waren vertreten, wie die eines älteren Herrn: „Vor 40 Jahren habe ich den Roman zum ersten Mal gelesen und heute erreicht mich der Überschwang der Gefühle nicht so wie früher, das liegt wahrscheinlich an meinem hohen Alter und dem unterschiedlichen Zeitgeist.“

Literatur ist wandelbar, man liest sie in jedem Zeitalter und Lebensabschnitt anders, doch eines steht fest: Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ ist ein zeitloses Werk für die Ewigkeit und die an ihn angelehnte Inszenierung war auch dieses Jahr auf den Brüder-Grimm-Festspielen ein voller Erfolg.

Es bleibt zu hoffen, dass „Die Leiden des jungen Werther“ auch in den zukünftigen Jahren des Öfteren einen Platz auf dem Spielplan finden wird und der Werther noch viele weitere Literaturbegeisterte in den Bann seiner Leidenschaft ziehen kann.

Lesen Sie dazu auch "Erfolg auch in Europa"

Fotos von den Festspielen in unserer Bildergalerie.

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