Klangvolles Miteinander

Breit aufgestellt: Frauen- und Männerstimmen sind im Kirchenchor St. Cäcilia ausgewogen. Der Chor singt meistens a-cappella, wie hier beim jüngsten Adventskonzert in der St.-Matthias-Kirche. Bild: privat

Der jüngste und der älteste Kirchenchor Rodgaus sind in Nieder-Roden daheim. Der eine hat gerade seinen fünften Geburtstag gefeiert, der andere blickt auf eine Tradition von 153 Jahren zurück. Obwohl sich das Repertoire grundlegend unterscheidet, haben beide Chöre manches gemeinsam: einen hohen Qualitätsanspruch und die spürbare Freude am Singen. Zwischen beiden Chören gibt es sogar eine personelle Verbindung.

Nieder-Roden – Die Chorprobe beginnt wie eine Gymnastikstunde: erst die Arme ausschütteln, dann die Beine. Beim Singen darf der Körper nicht verspannt sein. Auch für den Mund gibt es Lockerungsübungen. Erst dann erklingen die ersten Tonleitern und Intervalle zu Worten wie „To-ma-ten-saft“.

Auch Stimmbildung gehört zum Einsingen. Chorleiter René Frank ermuntert seine Sängerinnen und Sänger, den Unterschied zwischen O und A bewusst zu erleben: „Ein kleines, rundes O – und beim A geht der Mund weit auf.“

Seit fünf Jahren probt „De Lumine“ im evangelischen Gemeindehaus am Puiseauxplatz: alle zwei Wochen dienstags um 20 Uhr. Der Chor entstand aus einem Projekttag im Oktober 2018, einem offenen Singen für alle Interessierten. „Wir waren über 30 Leute an dem Tag“, erinnert sich René Frank. Drei Monate später ging es mit den Proben los.

Der Name „De Lumine“ (Vom Licht) ist das Ergebnis intensiver Diskussionen, wie Birgit Rüggeberg vom Kirchenvorstand berichtet: „Wir wollten den kirchlich-christlichen Bezug im Namen haben, aber keinen schweren Namen.“ Das ist offenbar gelungen. „Lumine ist auch Leuchten und Strahlen“, sagt Chorleiter Frank.

Dieses Leuchten findet sich auch in der Musikauswahl wieder. Das Repertoire besteht in erster Linie aus den Genres Neues Geistliches Lied, Sacropop und Gospel. Ein paar Taizé-Lieder sind auch dabei. Und natürlich eigene Kompositionen des Chorleiters.

Neben seiner Arbeit als Musiklehrer an der Georg-Büchner-Schule leitet René Frank fünf Chöre. An „De Lumine“ schätzt er die hohe Motivation: „Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wie gut gelaunt und motiviert ihr zur Probe kommt.“ Die gute Stimmung sei ein Verdienst des Chorleiters, gibt Sänger Stefan Hegny zurück: „Er hält Schwung in dem Laden.“

Hegny spielt im Chor eine besondere Rolle. Er ist der einzige Mann. Der geübte Sänger (Frank: „Er singt alles vom Blatt“) bildet das klangliche Fundament in den dreistimmigen Arrangements.

Der katholische Kirchenchor St. Cäcilia ist in dieser Hinsicht breiter aufgestellt. Auch im Tenor und Bass sind die Reihen gut besetzt.

Gut 40 Frauen und Männer sitzen im Halbkreis im Pfarrheim St. Matthias. Sie üben für die Karfreitagsliturgie: „Tenebrae factae sunt“ von Michael Haydn. „Weich anfangen“, gibt Chorleiter Frank Manus vor. Die Sängerinnen und Sänger bieten ein butterweiches Pianissimo in sicherer Intonation. „Schön!“, ruft Manus dazwischen. Eine Atempause markiert er mit dem Wort „Luft!“. Und den Schlussakkord verziert er am Klavier mit einer perlenden Phrase.

Frank Manus (75) leitet den katholischen Kirchenchor seit 40 Jahren. Als Sänger ist er dem Chor schon seit seiner Jugend verbunden. Damals war sein Vater Chorleiter.

Auch Frank Manus machte die Musik zum Beruf. Er wurde Musiklehrer. Später ging er in die Lehrerausbildung am Studienseminar Darmstadt. Dabei begegnete er einem jungen Referendar namens René Frank in Jügesheim, der an der Georg-Büchner-Schule gerade einen Schulchor gegründet hatte – und heute den evangelischen Chor „De Lumine“ leitet.

Aber zurück zum Kirchenchor St. Cäcilia. Neben einem großen Stamm an treuen Sängerinnen und Sängern sieht man auch einige jüngere Gesichter in den Reihen. Die Chorvorsitzende Angela Kohls wertet das als gutes Zeichen. Gerade für Kirchenchöre sei es schwer, Nachwuchs zu gewinnen. Der Einzugsbereich reicht bis nach Babenhausen, Urberach und Offenbach.

„In diesem Chor ist Substanz drin“, sagt Frank Manus: „Sie wollen gefordert werden.“ Deshalb legt der Chorleiter oft anspruchsvolle Werke aufs Notenpult, von Händels „Halleluja“ bis zu zeitgenössischen Stücken von Arvo Pärt – natürlich in der Originalsprache Estnisch. Seine Arbeit als Chorleiter vergleicht Manus mit der Schule: „Jeder muss da gefördert werden, wo er stark ist, und jeder muss dort abgeholt werden, wo er steht.“

Was ist das Besondere am Kirchenchor St. Cäcilia? Sängerin Kerstin Bischoff antwortet spontan: „Was uns auszeichnet, ist, dass wir das meiste a-cappella singen.“ Für einen Chor ist das die Königsdisziplin. Frank Manus drückt es so aus: „A-cappella ist das Schönste, was der Chorgesang hergibt, aber auch das Schwerste.“

Von Ekkehard Wolf

Weitere Artikelbilder