Warum in die Ferne schweifen Winterausstellung des Künstlervereins Heusenstamm

Dem Thema zu Ehren war die Eröffnungsmusik besonders opulent. Gleich vier wohlklingende Geigen waren zu hören, als das Ensemble Bella Corda unter Leitung von Boris Kottmann ausdrucksvoll drei Sätze einer Suite von Ladislav Gabrielli spielte. Foto: p

Heusenstamm (schu) – Paradiese - ein wahrhaft paradiesisches Thema für Maler! In der Winterausstellung des Künstlervereins waren ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Dazu braucht es nicht einmal die von der Werbung inflationär angebotenen elysischen Gefilde vom Matratzen-, über das Sauna- bis zum letzten Inselparadies. „Paradiese entstehen in unseren Köpfen, und deshalb gibt es Milliarden von Paradiesen“, sagte Wolfgang Franz in seiner Begrüßungsrede und fügte einige Gedanken zu ihrer Zeitgebundenheit und Unbeständigkeit an. „Wir in unserem Paradies mit mittelgroßen Fehlern,“ bemerkte er, „ sollten immer daran denken: So, wie wir hier leben, so sieht das Paradies für Millionen Menschen aus, und auch unser Paradies ist vergänglich.“

Dem Thema zu Ehren war die Eröffnungsmusik besonders opulent. Gleich vier wohlklingende Geigen waren zu hören, als das Ensemble Bella Corda unter Leitung von Boris Kottmann ausdrucksvoll drei Sätze einer Suite von Ladislav Gabrielli spielte.

Ins Paradies gelangt man am besten im Traum. Christel Rukwied gestaltet das Träumen mit verschwenderisch buntem Patchwork. Geometrisch gebändigt im strengen Amish-Stil ist ihr Quilt „Mein Paradiesgärtlein“. Rot leuchtet aus der Mitte heraus der „Diamond in the Square“.

Ludwig Mühlenberg sieht bei der „Erinnerung an mein Kindheitsparadies“ einen Baum mit verlockend roten Äpfeln auf einem Hügel stehen.

Objekt mit Blattgold verziert

Paradiese finden sich in der Ferne, wie die Seychellen, deren Faszination Elke Römer in hinreißenden Fotos nahebringt. Granitsteine, einsame oder belebte Strände - allen Motiven weiß die Fotografin sprechende Wirkung zu verleihen. Paradiesisch erscheint Brigitte Fischer das südfranzösische Roussillon mit seinen bizarren Felsen. Deren rot, ocker bis gelb changierendes Farbenspiel gibt sie kraftvoll mit Pastellkreide wieder. Auch Venedig kann ein Stück Paradies bieten, wie der Canal Grande für Dieter Frenzel. Monika Neeser jedoch sucht ein „Paradies unter Wasser“ und verziert die Objekte aus ihrem „Muschelparadies“ gar mit Blattgold.

Doch warum in die Ferne schweifen? Eine ganze Serie paradiesischer Landschaften in Deutschland zeigt Heidrun Heinzelmann in kleinen Aquarellen und im Großformat. Klaus Hartung aquarelliert Idylle wie „Kinderspiele“ und dem „Samstagbad der Spatzen“. Mit einem Schuss Ironie versieht Doris Bloes das „Paradies im Großstadtdschungel“, wo ein Häuschen mit Garten der gewaltigen Front von Hochhäusern und Autobahnen Paroli bietet. Irene Rekus nimmt das Motto ganz wörtlich und zeichnet ein Portrait der französischen Sängerin Vanessa Paradis. Weitere Konterfeis sind Fantasie-Portraits.

Was Malern am nächsten liegt: ein Farbenparadies. Margret Mühlenberg gibt ihm Ausdruck nicht nur mit Acryl, sondern auch mit Wollfilz, Papagei- und Flamingofedern. Ihre weiteren Collagen mit hölzernen Fundstücken, Filz oder gar vertrockneten Eidechsen, die ein „Tänzchen“ veranstalten, kann man getrost ebenfalls zum Paradiesbereich zählen. Auch Tiere können ins Paradies führen, wie der Papagei, den Margit Haun mit einem winzigen Distelfink konfrontiert. Die aparte Technik mit Öl und Kleber unter Hitzeeinwirkung benutzt sie außerdem in abstrakten Bildern ohne Titel.

Pfiffig-ironische Note

Wie von Wolfgang Franz zu erwarten, gibt er dem Thema eine pfiffig-ironische Note. „Paradiese werden bewacht“, in der ehemaligen DDR nämlich, wo ein Soldat mit Gewehr und Fernglas die Grenze beschützt. Der scharfe Tusche-Strich auf der Malerei verdeutlicht die Bösartigkeit. Nicht unter das Thema stellt Franz die drei Aquarelle von durchaus paradiesisch wirkenden fernen Orten.

Mit Witz und Ironie schießt Wolfgang Moosbrugger den Vogel ab. Ganz aktuell ist sein „Donald T.“ der versichert „Ich werde große Mauern bauen und aus Amerika ein Paradies machen“. Auch der Flüchtlingswelle als „Ende vom Paradies“ nimmt er sich an. Seine Comic-Figur Marl schickt der Zeichner Marl in allerlei Paradiese, vom Schaumbad- bis zum Schoppe-Paradies. Man sollte sich für die Comics viel Zeit nehmen.

Viele Bilder mit anderen Themen ergänzen die Ausstellung, wie etwa Aquarelle von Hartung, Bloes, Frenzel und Ludwig Mühlenberg. Irene Rekus setzt mit Mischtechnik ungemein plastisch Rizinus und Karde ins Bild. Es fehlen auch nicht die edlen Vasen von Renate Schneider. Schmuck zeigt außer Monika Neeser auch Heidrun Heinzelmann.

Die Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte ist bis Sonntag, 4. Dezember, zu sehen, Dienstag bis Freitag von 16-18 Uhr, Samstag von 14-19 Uhr und Sonntag von 11-19 Uhr.