Kanzler und Innenministerin werben in Mühlheim fürs Handwerk Eingelöstes Versprechen

Einblick in das Schreinerhandwerk: Sven Meder (von links) erläutert Bundeskanzler Olaf Scholz im Beisein von Florian Kramwinkel und Innenministerin Nancy Faeser die Arbeit an der Kantmaschine. Bild: Frenger

Mühlheim – Wenn der Bundeskanzler kommt, herrscht Sicherheitsstufe eins, dazu großes Medienaufkommen. Das ist am Freitagnachmittag in Mühlheim nicht anders, als Olaf Scholz (SPD) ein im Wahlkampf gegebenes Versprechen einlöst und die Schreinerei Kramwinkel besucht. Und da Zeit ein rares Gut für einen Bundeskanzler ist, lässt er sich im Schnelldurchlauf durch die Schreinerei führen. Immer an seiner Seite: Parteikollegin und Innenministerin Nancy Faeser, die mitten im Landtagswahlkampf steckt.

Als Kanzler und Innenministerin aus der schwarzen Limousine steigen, stürmt ein Pulk aus Journalisten und Parteifreunden auf das Duo zu. Doch die beiden gehen schnurstracks auf die Kramwinkels zu. Wolfgang und Sohn Florian Kramwinkel, die Geschäftsführer der Schreinerei, begrüßen die beiden und führen sie zusammen mit rund 100 geladenen Gästen und Medienvertretern durch die einzelnen Abteilungen des rund 50 Mitarbeiter zählenden mittelständischen Betriebs.

Scholz steht also zu seinem Wort: Im September 2021 war Wolfgang Kramwinkel in der ZDF-Sendung „Klartext Herr Scholz!“ und stellte dem damaligen Kanzlerkandidaten einige Fragen. Ein fünfminütiger Dialog entwickelte sich, an dessen Ende Scholz dem ehemaligen Kreishandwerksmeister zusagte, als Kanzler die Schreinerei besuchen zu wollen. Zwei Jahre später macht er das wahr und gönnt sich 45 Minuten in Mühlheim, redet mit den Geschäftsführern, deren Familienmitgliedern und den Angestellten, schüttelt Hände, gibt sich locker und entledigt sich angesichts der warmen Temperaturen sogar seines Jacketts.

„Ich hatte mir schon lange vorgenommen, zu Besuch zu kommen“, sagt Scholz und zeigt sich angetan von dem, was er in der Firma zu sehen bekommt. „Was mich sehr beeindruckt, ist das, was wir vom Handwerk kennen: Präzision und der Fleiß der Frauen und Männer, die hier arbeiten.“ Auch die technische Innovation, die automatisierten Produktionsabläufe in der Schreinerei begeistern ihn.

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„Handwerk ist sehr mit der Zukunft verbunden, und bietet gute Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten“, wirbt der Kanzler angesichts des bundesweiten Fachkräftemangels. „Für uns ist das Handwerk sehr wichtig“, stimmt Faeser mit ein. Sie sehe viele junge Menschen in dem Betrieb, darunter sechs Auszubildende.

Dass es diese Ausbildungsstätten wie in der 1957 aus der Taufe gehobenen Schreinerei gebe, sei sehr wichtig. „Wir müssen in der Gesellschaft mehr dafür tun, fürs Handwerk zu werben“, betont die Sozialdemokratin. Den Kramwinkels sei das gelungen, was oftmals nicht klappe, nämlich den Nachwuchs in Position zu bringen, die Betriebe weiterzuführen.

Florian Kramwinkel ist in die Fußstapfen seines 68-jährigen Vaters getreten. Er freut sich über den hohen Besuch, auch weil in der knappen Zeit wichtige Themen angesprochen werden: „Es ist wichtig, dass wir aufs Handwerk schauen, weil wir das Land mitprägen“, sagt der 39-Jährige. Es geht im Gespräch mit Scholz und Faeser auch um Energiekosten, um Arbeitsschutz – was angesichts des ohrenbetäubenden Maschinenlärms in der Schreinerei auf der Hand liegt –, Arbeitsprozesse und Fachkräftemangel. Der Kanzler fragt etwa, ob die Firma auch Mitarbeiter einstelle, die kein Deutsch sprechen. Das kann Wolfgang Kramwinkel bejahen. „Bei uns hat schon ein Eritreer gelernt, der zunächst kein Deutsch konnte.“

Auch mit den Mitarbeitern sucht der Kanzler das Gespräch. Die sind hin und weg: „So viele Kameras habe ich noch nicht gesehen“, sagt Jahrespraktikant Jannik Vollbrecht. Dessen Kollege Strom Rothbarth darf dem Kanzler im Lackierraum sogar seine Arbeit vorführen, Scholz und Faeser zeigten sich sehr interessiert, schildert der Azubi im dritten Lehrjahr. Mitarbeiter Markus Dinter schüttelt Scholz sogar die Hand, „ein lockerer Händedruck“, sagt er und schiebt nach: „Ein netter Kerl.“

Doch der Besuch ist schnell vorbei, der Zeitplan, den der Kanzler auch in Mühlheim um einige Minuten überzieht, lässt keinen weiteren Austausch zu. Diesmal verzichtet Scholz allerdings auf Versprechen, „weder für einen Küchenkauf noch für einen weiteren Besuch“. „Ich glaube, er wurde gebrieft, bei uns mit Versprechungen vorsichtig zu sein“, sagt Florian Kramwinkel und grinst.

Von Ronny Paul Und Jan Lucas Frenger