Kameradschaft ohne Wenn und Aber Syrer Hady Hassrouny ist bei der Feuerwehr Mühlheim willkommen

Beim Erzählcafé berichteten (von links) Hady Hassrouny, Stadtbrandinspektor Lars Kindermann, Moderator Karl-Heinz Stier, Bernd Schwerzel und Melanie Luck. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Der Geschichtsverein Mühlheim widmete sein erstes Erzählcafé im Jahr 2016 dem Thema „Mühlheimer Freiwilligen Feuerwehren im Wandel der Zeiten“. Darüber gab es viel zu berichten, denn nicht nur die Einsatzfahrzeuge änderten sich im Laufe der Geschichte.

Undenkbar wäre in den 1950er Jahren gewesen, dass eine Melanie Luck mit 30 Jahren schon auf eine 15-jährige Feuerwehrkarriere zurückschaut. Da galten die Wehren zwar wie eh und je als Hort der Kameradschaft, präsentierten sich gegenüber dem weiblichen Geschlecht aber so hermetisch abgeriegelt wie ein Männergesangsverein. Eine Frau, die am Steuer eines Einsatzwagens sitzt, die nicht nur symbolisch gesprochen, sondern wörtlich gemeint für andere durchs Feuer geht, das war so unvorstellbar, als hätte unter Sepp Herbergers Jungs eine Gertrud die Abwehr zusammen gehalten.

„Jeder wird angenommen, wie er ist“

Karl-Heinz Stier, der Vorsitzende des Geschichtsvereins und Moderator des Abends, fragt Melanie Luck im Feuerwehrhaus an der Anton-Dey-Straße, wie sie 2000 auf die Idee kam, bei jenen in Mühlheim mitzumachen, die Stadtbrandinspektor Lars Kindermann herb liebevoll als „Haufen“ tituliert. Luck erzählt von ihrem Bruder, einer Freundin und einem großen Zeltlager der Jugendfeuerwehr: „Alle waren dabei.“ Ihr habe es dort sofort gefallen. Niemand müsse in der Truppe eine Rolle spielen, „jeder wird angenommen, wie er ist“.

Von einer ureigenen Form der Kameradschaft spricht Lars Kindermann, den Karl-Heinz Stier als „obersten Feuerwehrmann“ der Stadt vorstellt. Einen wie Kindermann dürfte es nicht nur in Hessen, sondern auch bundesweit kein zweites Mal geben. Sein Alarmpiepser geht manchmal los, wenn er gerade erklärt, warum einer Frau nach der Scheidung das Haus zusteht oder welche Not einen Mann dazu trieb, sich am Geldautomaten zu schaffen zu machen.

Brände machen nur noch Drittel der Einsätze aus

Der Herr Rechtsanwalt sorgt immer mal wieder vor den Gerichten Hanaus für Erheiterung, wenn er sich abrupt verabschieden muss, sich ins Auto schwingt und mit Blaulicht von dannen zieht. Normalerweise sind Stadtbrandinspektoren städtische Angestellte.  Das Aufgabengebiet der Wehr habe sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv erweitert. Um Brände gehe es nur noch bei einem Drittel der Einsätze. Einen Fall aus seiner Anfangszeit als Freiwilliger Feuerwehrmann blieb Kindermann im Kopf hängen: Unter dem Fahrersitz eines total zerstörten Autos war ein Kind eingeklemmt.

Bernd Schwerzel trat 1976 der Feuerwehr in Lämmerspiel bei. Sein Motiv erfreute sich bei Freiwilligen generell keiner großen Beliebtheit. Schwerzel wollte studieren, ohne erst 15 Monate bei der Bundeswehr zu marschieren oder knapp zwei Jahre Zivildienst zu leisten. Mit zehn Jahren Freiwillige Feuerwehr ersparte man sich beides. Solche Kandidaten betrachteten die Kameraden mit Skepsis. Sie standen nicht im Ruf, übertrieben motiviert aufzutreten. „Mir gefiel es dort aber,“ erinnert sich Schwerzel. Und zwar so gut, dass ihn die Lämmerspieler vier Jahre später im Alter von 22 Jahren zum jüngsten Wehrführer Hessens wählten. Die Funktion übte der Maschinenbauer 25 Jahre aus. Beruflich leitet Schwerzel die Feuerwehr auf dem Werksgelände von Allessa in Fechenheim.

Ebenfalls mit offenen Armen fühlt sich auch Hady Hassrouny (29) aufgenommen. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler arbeitete nach dem Abgang von der Universität vier Jahre in einer Bank. Dann musste er aus Syrien fliehen. Der Mann kam im September 2014 nach Deutschland und lernte blitzschnell die Sprache. Vor kurzem trat Hassrouny der Freiwilligen Feuerwehr in Mühlheim bei, in der sich mittlerweile auch noch vier weitere Flüchtlinge engagieren. Das Land helfe ihm, „ich will dem Land helfen“.