Flüchtlinge erzählen von ihren Erfahrungen in Mühlheim Wohnungen werden immer gesucht

In Mühlheim untergebrachte Flüchtlinge reden zusammen mit Ur-Mühlheimern über ihre Erlebnisse in der Heimat und der Stadt am Main (von links): Roman, Tabish und Ramish (23) said Mohammad, Susanne Kannwischer, Eva Scholz, Karl-Heinz Stier, Hady Hassrouny und Bernd Klotz. Foto: man

Mühlheim (man) – Wie es ihnen seit ihrer Flucht aus Afghanistan und Syrien in Mühlheim erging, davon sprachen Flüchtlinge im voll besetzten Stadtmuseum im Erzählcafé. Eingeladen hatten Karl-Heinz Stier vom Geschichtsverein und Bernd Klotz vom Freundeskreis der Flüchtlinge.

Die Diskussion zum Thema Flüchtlinge gestaltet sich in Deutschland prinzipiell zäh. Für die eine Seite steht eine Katholikin, von der ein Zuhörer spricht. „Jeder Moslem ist gefährlich und muss Deutschland verlassen“, zitiert der Mann die Bekannte. Die auf der anderen Seite schwingen schon hysterisch die Nazikeule, wenn jemand die Frage offen lässt, ob ein Industrieland es wirklich schaffen kann, auch jene unbegrenzt zu integrieren, die nie eine Schule besucht haben.

Karl-Heinz Stier und Bernd Klotz hatten Mühlheimer Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit der Integrationsbeauftragten Eva Scholz eingeladen, für die kein Redenschreiber ein „wir schaffen das“ im Manuskript vermerken muss. Wer es packt, schon nach ein paar Monaten Deutschlandaufenthalt in der neuen Sprache Rede und Antwort zu stehen, hat keine schlechten Chancen, hierzulande Fuß zu fassen.

Klotz stellt den Syrer Hady Hassrouny vor. Der 29-Jährige kam vor zwei Jahren und engagierte sich bald darauf selbst als ehrenamtlicher Helfer. Er übersetzt und geht mit aufs Amt. Hassrouny, Wirtschaftswissenschaftler mit Bankerfahrung, arbeitet ab Oktober bei der Sparkasse. Der Mann lobt die Mühlheimer Hilfsbereitschaft, wie alle anderen auch. Wobei stets Namen fallen wie Eleonore Blöcher, Gerda Brinkmann, Anni Wald oder Osmonde Brehme, die Neuankömmlingen Orientierung geben und Deutsch beibringen.

Der aus dem belagerten Aleppo stammende Abdulkader Ammaneh, seit einem Jahr in Mühlheim, spricht über das Kunstprojekt Main Hafen mit Michael Tresser. Ammaneh erwähnt nicht nur den Spaß mit dem Künstler, sondern auch die Chance, „durch die Gespräche Deutsch zu lernen“. Der studierte Arabischlehrer arbeitet bei DHL und plant langfristig als Dolmetscher zu fungieren.

Der Syrer Abdulhakim Obaid sieht Deutschland als seine neue Heimat an. Er kann sich nicht vorstellen, jemals zurück zu gehen. Der 20-Jährige wirkt, als könnte das Schicksal ihn überall hinspülen, er findet sich zurecht. Obaid erzählt, in Syrien habe er vor dem Abitur gestanden. Zeugnisse fehlen. Die Schule liege in Schutt und Asche. Der junge eloquente Mann spricht schon fast fließend. Als erstes musste er sich um den Hauptschulabschluss kümmern. Kaum schwerer dürfte ihm der anstehende Realschulabschluss fallen. In der Alten Wagnerei steht er hinter der Theke. Langfristig sieht er sich im Personalbüro einer Firma, wo er schon in Syrien arbeitete.

Susanne Kannwischer, ehemalige Rektorin der Goetheschule, erzählt von einer neunköpfigen Familie aus Afghanistan, mit der sie Kontakt halte: „Ausgesprochen bildungsnah, was in dem Land nicht selbstverständlich ist“. Mit Roman (19), Ramish (23) und Tabish said Mohammad (27) sind drei Söhne der Familie erschienen. Tabish, studierter Bauingenieur, schätzt die Analphabetenrate in seinem Heimatland auf 60 Prozent. Auch die Brüder, deren Vater vor zehn Jahren starb und deren Mutter genauso Deutsch lernt wie die Kinder, betonen die große Hilfsbereitschaft. Ebenso wie Agnes Kryezi aus dem Kosovo. Eleonore Blöcher kümmert sich um die 18-jährige, die hofft, einen Ausbildungsplatz zur Friseurin zu bekommen.

Bernd Klotz erwähnt, wie Wael Dheim im Gottesdienst Arabisch sang und manche stutzten, als von „Allah“ die Rede war. Beruhigend wirkte die Nachricht, dass der Syrer zwar nicht der römischen, aber der griechisch-katholischen Kirche angehört, und Allah nichts anderes als Gott heißt.

Eine Frau fragt den syrischen Chemiker Firas Nahlawe, dessen Gattin und Tochter seit kurzen ebenfalls in Mühlheim leben, ob seine Frau ein Kopftuch trage. Der Mann verneint lachend. Natürlich gebe es auch unter den Flüchtlingen unangenehme Figuren, desinteressiert daran, die Sprache zu erlernen. Die Mehrheit sei das nicht.

Verschmitzt erklärt Firas Nahlawe: „Ich bin zwar Moslem, aber nicht gefährlich“. Und Bürgermeister Daniel Tybusssek bittet Bürger, die leeren Wohnraum besitzen, sich bei der Stadt zu melden.