Schüler aus Intensivklassen besuchen Heusenstammer Bürgermeister Einmal den Rathauschef ausquetschen

Ein Dutzend Schüler aus zwei Intensivklassen der Adolf-Reichwein-Schule kamen unlängst ins Schlossrathaus und trafen den Rathauschef in seinem Amtszimmer, wo sie Halil Öztas nach Herzenslust Fragen stellen konnten. Foto: pro

Heusenstamm (pro) – „Haben sie auch Hobbys?“ Zeit dazu hat so ein Bürgermeister ja kaum, wenn er 60 Stunden und mehr in der Woche arbeitet. Eine junge Syrerin nahm sich allen Mut zusammen und folgte Halil Öztas’ Einladung, ihn auszufragen. Das Mädchen kam mit einem Dutzend Schüler aus zwei Intensivklassen der Adolf-Reichwein-Schule ins Schloss und traf den Rathauschef in seinem Amtszimmer.

Einige der jungen Migranten im Alter zwischen zehn und 16 Jahren besuchen erst seit wenigen Tagen den Deutsch-Unterricht, können aber schon Fragen formulieren. Als echter „Frankfurter Bub“, antwortete Öztas, sei er 1977 am Main geboren und liebt den Fußball. Zuerst hat er auf dem Frankfurter Berg gekickt, dann für die TuS Nieder-Eschbach. Er absolvierte auch mehrere Schiedsrichter-Lehrgänge, war Vorsitzender des Hessischen Verbandsgerichts, verriet der Kommunalpolitiker.

Außerdem reise er gerne und interessiert sich für Flugzeuge. Neulich sei er in einer historischen Maschine mit den Partnern aus dem belgischen Malle in die Luft gegangen. Am liebsten würde er ja den Flugschein machen, aber dazu reiche die Freizeit nicht aus. „Ihr könnt alles fragen“, ermuntert er seine jungen Gäste, ihn weiter auszuquetschen.

Bürgermeister dreht den Spieß um

Schließlich drehte der zweifache Papa den Spieß um und interviewte seine Besucher. Zwei Geschwister sind vor vier Monate aus Polen gekommen, erfuhr der Gastgeber, ein Junge vor elf Monaten aus Syrien. Seine Familie sei gerade umgezogen, übersetzten ein paar Mitschüler. „Das ist ein großer Vorteil, ein gutes Gefühl und verleiht Selbstvertrauen“, hob Öztas die Fähigkeit hervor, mehrere Sprachen zu beherrschen und zu übersetzen. „So kann man auch helfen.“ Die Klassenkameraden stammen aus dem Iran und dem Irak, aus Afghanistan, Ost-China und aus Istanbul.

Allen gemein sei, dass sie zu ihrem Eintritt in die Intensivklassen an der Reichwein-Schule über keinerlei Deutschkenntnisse verfügten, erläuterte Konrektorin Simone Richter das „Aufgabengebiet Seiteneinsteiger“. Drei Analphabeten werden in diesen Tagen erwartet. 96 junge Migranten haben die Pädagogen seit 2012 vor allem in Deutsch unterrichtet, 84 konnten nach einem Jahr in Regelklassen wechseln - die meisten (38) in die Realschule, 21 auf die Hauptschule und 18 auf die Förderstufe, zwei sogar aufs Gymnasium und fünf weitere auf eine berufliche Schule.

Schulleiterin Margit Breen sowie die Klassenlehrerinnen Renate Gatzweiler und Jalda Kanawezi, die selbst aus Afghanistan stammt, kritisierten, dass das Intensiv-Konzept keinen Sportunterricht vorsehe. „Wir unternehmen Ballspiele auf dem Schulhof“, erzählten sie und baten den Bürgermeister, sich dafür einzusetzen, dass auf dem ungenutzten Rasen einige Spielgeräte aufgestellt werden.

Die Schüler würden sich ja gerne Vereinen anschließen. Die Beiträge seien jedoch für viele Familien ein Hindernis. Öztas verwies auf den Sportkoordinator für Flüchtlinge, Vereinsmitgliedschaften seien für Betroffene oft kostenfrei. Doch auch Musikunterricht sei wichtig - und teuer. Der Rathauschef befürwortete auch dazu Vergünstigungen, für eine Förderung seien aber Satzungsänderungen nötig. Im Sitzungssaal versuchten er und Erster Stadtrat Uwe Michael Hajdu die Arbeit der Stadtverordneten-Versammlung zu vermitteln.

Ob sein Job schwer sei, wollte ein Jugendlicher wissen. Der Gefragte verneinte, „ich habe viele Mitarbeiter, die mir helfen“. Schwierig sei es, ins Amt gewählt zu werden und andere zu überzeugen: Der Umgang mit verschiedenen politischen Parteien sei manchmal aufreibend.

„Die Schule spielt eine ganz große Rolle“, gibt Halil Öztas seinen Gästen mit auf den Weg. „Meine beste Zeit war die Schulzeit, danach fängt der Stress erst richtig an“.

Seine Eltern konnten ihm wenig helfen, doch „gute Noten sind sehr wichtig“. Der Rathauschef versuchte auch, das Interesse der Neu-Heusenstammer an der Politik zu wecken: „Es schadet nicht, sich Gedanken zu machen und sich ehrenamtlich zu engagieren.“